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Heilpflanzen und ihre Kräfte

Ein Ratgeber für Fragen der Gesundheitsmedizin auf natürlicher Basis

Das Erbe der Volksmedizin - Vom Beitrag der Volksmedizin an die moderne Wissenschaft

Seit jeher wurden Pflanzen von den Menschen genutzt, unter anderem auch als Heilmittel. Volksheilmittel pflanzlicher Herkunft, ursprünglich der Menschen einzige Arznei, sind nie ganz von der Bildfläche verschwunden. In abgelegenen ländlichen Gegenden oder bei ethnischen Minderheiten der modernen Industriegesellschaft haben sie auch heute noch ihren Platz als Alternative des einfachen Mannes zu den unerreichbaren Diensten des Arztes. Vor allem innerhalb jener Kulturkreise, wo die Einwohner isoliert leben und zu denen die Erkenntnisse der modernen Medizin noch nicht vorgedrungen sind, gelangen immer noch ausschließlich Heilmittel pflanzlicher Herkunft zur Anwendung.

Wir schulden der Volksheilkunde großen Dank. - In ihr liegt der Ursprung unserer Kenntnisse vieler, wenn nicht gar der meisten Heilpflanzen begründet. Aus dem Reichtum des durch die Volksheilkunde über Jahrtausende zusammengetragenen Wissens entwickelte sich das moderne Wissensgebiet der Ethnopharmakologie, der kritischen Untersuchung der Arzneien der Eingeborenen, welche erst in neuerer Zeit zu ihrem Recht gekommen ist. Die Identifizierung pharmakologisch aktiver Pflanzen und Pflanzenderivate ist zwar bereits sehr weit fortgeschritte, aber doch noch lange nicht abgeschlossen. Man sollte deshalb die reiche Wissensquelle der Volksheilkunde nicht versiegen lassen: sie kann uns noch viel Unbekanntes vermitteln. Die heute noch bestehenden Ureinwohnerkulturen - zum Beispiel in abgelegenen Gebieten Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und auch anderer Regionen - verschwinden zunehmend. Es besteht die Gefahr, dass mit ihnen auch viel vom Wissen und vom Brauchtum im Zusammenhang mit den lindernden Eigenschaften der Pflanzen untergehen wird. Es ist daher an der Zeit, diesen volkstümlichen Heilungstraditionen, die so wertvolle Beiträge an die moderne Medizin leisteten und auch in Zukunft noch werden leisten können, die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Der Baum der Erkenntnis

Der Baum der Erkenntnis stellt eines der ältesten Symbole für die Macht der Pflanzen dar. «... nur vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst Du nicht essen. Sobald Du davon isst. bist Du dem Tode verfallen.» Genesis. 2. 17.



Diese sechs Heilpflanzen wurden in einem Neanderthalergrab in Shanidar (Irak) gefunden:
SCHAFGARBE Achillea EIBISCH Althea KREUZKRAUT Senecio

SCHAFGARBE
Achillea

EIBISCH
Althea

KREUZKRAUT
Senecio

TRAUBENHYAZINTHE muscari FLOCKENBLUME Centaurea MEERTRÄUBCHEN Ephedra

TRAUBENHYAZINTHE
muscari

FLOCKENBLUME
Centaurea

MEERTRÄUBCHEN
Ephedra


PRÄHISTORISCHE VOLKSGEMEINSCHAFTEN

Die uns überlieferten dürftigen archäologischen Überreste pflanzlicher Stoffe beweisen, dass der Mensch von damals die Pflanzen nicht nur als Nahrung und als Bau- und Bekleidungsmaterial zu nutzen wusste, sondern auch als Heilpflanzen. Beweise für diese Theorie liegen aus verschiedenen, weit voneinander entfernten Teilen unserer Erde vor.

Die Entdeckung des Grabes von Shanidar zeigte auf, dass die Neanderthaler ihre Toten rituell begruben. Vor allem die Wahl von Heilpflanzen als Grabbeigabe auf die letzte Reise überraschte die Fachwelt.

Shanidar, Neanderthaler

Gesetzbuch Hammurabis

In der altbabylonischen Medizin spielten Heilpflanzen eine hervorragende Rolle. Einige Arten sind im Gesetzbuch Hammurabis, einem der ältesten ausführlichen Heilpflanzendokumente der Menschheit (1500 v. Chr.). beschrieben.


Archäologische Studien in Shanidar, Irak, erbrachten Hinweise darauf, dass die dort lebenden Neanderthalcr vermutlich über eine rudimentäre Pharmakopöe verfügten. Von den acht Pflanzenspezies, die anhand von Blütenstaubkörnern von an diesem Ort gefundenen Überresten identifiziert wurden, sind sieben in der Ethnomedizin dieses Landstriches und auch in anderen Teilen Asiens immer noch von vorrangiger Bedeutung. So wurden in dieser 60 000 Jahre alten Grabstätte Schafgarbe (Achillea) , Eibisch (Althaea) , Kreuzkraut (Senecio) , Traubenhyazinthe (Muscari) , Tausendgüldenkraut (Centaurea) und Meerträubchen (Ephedra) gefunden.

In peruanischen Gräbern, die etwa 2500 Jahre alt und somit ungefähr 2000 Jahre älter sind als die Blütezeit des Inkareiches, wurden Beutel für Kokablättcr und die beim Koka-Kauen ebenfalls verwendeten Lliptu oder Limonen entdeckt. Kokablättcr fanden sich auch in 1500 Jahre alten Mumien, und chemische Untersuchungen wiesen das Vorhandensein von Alkaloiden nach.

In früheren Zeiten und auch heute noch fand Koka bei unzähligen rein medizinischen Anwendungen Einsatz, und wie bei vielen der heiligen Halluzinogene und Narkotika dürfte die betäubende Wirkung von der medizinischen kaum im Sinne der «Medizin» der Ureinwohner zu trennen sein.

In Coahuila, Mexiko, fanden sich in einer Reihe von Unterkünften, die über eine Zeitspanne von 8000 Jahren bewohnt worden waren, Material des Peyote Kaktus, von Mescal Bohnen und mexikanischen Aesculus Samen. Diese wurden möglicherweise von den Ureinwohnern als Arzneimittel gebraucht, denn alle enthalten bekannte Wirkstoffe. Peyote, heute vorwiegend ein Halluzinogen, könnte bereits in so weit zurückliegender Zeit zeremonielle Verwendung gefunden haben. Noch immer wird er von mexikanischen Indianern als Medizin zur Beschleunigung der Heilung von Quetschungen, Schnitten und Wunden verwendet. In neuerer Zeit wurde auch eine antibiotische Wirkung nachgewiesen. Studien an getrocknetem Peyote von diesen Fundstellen aus der Zeit von 810-1070 n. Chr. ergaben das Vorhandensein von Alkaloiden. Es dürfte sich dabei um das älteste je einer chemischen Analyse unterzogene Material handeln.

ALTE HOCHKULTUREN

Egal ob in babylonischen, ägyptischen, indischen, chinesischen, griechischen oder römischen geschichtlichen Aufzeichnungen nachgeschlagen wird, immer enthalten diese Quellen zahlreiche Hinweise auf Heilpflanzen.

Sumerische Begriffszeichen aus der Zeit um 2500 v. Chr. registrieren verschiedene Arzneien pflanzlicher Herkunft, einschließlich das als «Pflanze der Freude» bekannte Opium. Die Pharmakopöe der Assyrer enthielt mindestens 250 Pflanzenspezies. Das Gesetzbuch Hammurabis, König Babylons von 1728-1686 v. Chr., enthält die möglicherweise ältesten ausführlichen und klaren Aufzeichnungen. Hammurabi ließ auch Aufzeichnungen in Stein meißeln. Einige sind der Nachwelt erhalten geblieben. Sie wurden inzwischen entschlüsselt und ergaben zahlreiche Hinweise auf die Verwendung von Heilpflanzen: Kassie, Bilsenkraut, Lakritze, Minze - alle bekannt in der modernen Medizin.

Auch die Apothekerkunst Mesopotamiens verließ sich auf pflanzliche Arzneien. Sie kannte etwa 250, darunter Mohn, Tollkirsche, Alraun, Bilsenkraut, Hanf, Safran, Thymian, Knoblauch, Zwiebeln, Lakritze, Kassie, Stinkasant und Myrrhe.

In Ägypten sind im Tempel von Karnak Medizinpflanzen eingemeißelt, die von einer Expedition aus dem weit entlegenen Syrien mitgebracht worden waren. Diese Expedition war im Jahre 1500 v. Chr. von Thutmosis II zu diesem Zwecke ausgesandt worden. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen gehen auf die Ägypter zurück und sind der Nachwelt auf Papyrusrollen erhalten geblieben. Diese Papyri wurden aus dem Mark des am Nil wachsenden Ricdgrases hergestellt. Die berühmteste dieser Schriftrollen, der Papyrus Ebers aus dem 16. Jahrhundert v. Chr., stellt eine Zusammenfassung früherer Werke dar. Er enthält nicht weniger als 877 Rezepte. Unter den vielen darin aufgeführten Arzneien befinden sich Olivenöl, Alraun, Stechapfel, Styrax, Hanf, Opium, Weihrauch, Myrrhe, Aloe, Wacholder, Leinsamen, Rizinusöl, Fenchel, Kassie, Sennesblätter, Thymian und Henna.

ägyptische Relief

Dieses ägyptische Relief aus dem 14. Jahrhundert vor Christus zeigt den König Echnaton, dem seine Gemahlin Nofretete eine Heilpflanze, wahrscheinlich eine Mandragora, reicht.

Silphionpflanze

Die Silphionpflanze, von den Griechen als Gewürz und Heilpflanze sehr geschätzt, wurde öfters auf Münzen abgebildet. Unser Beispiel stammt aus dem Jahre 480 v. Chr.

Möglicherweise kannten die Ägypter bereits Antibiotika: Schlamm - wahrscheinlich mit den von darin enthaltenen Strahlenpilzen produzierten antibiotischen Substanzen - wurde als Umschlag auf schwärende Wunden aufgelegt. Hätte die moderne Medizin diesen frühen Praktiken mehr Bedeutung beigemessen, wäre die fast zufällige Entdeckung der bakteriziden Eigenschaften dieser lebensrettenden Substanzen nicht erst in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts gelungen. Schimmeliges Brot, dessen Wirksamkeit möglicherweise auf Pilze zurückgeführt werden kann, war ebenfalls ein ägyptisches Heilmittel. In Indien, wo die Naturheilkunde eng mit Aberglauben und Methaphysik verschmolzen war, sind die Aufzeichnungen vergleichsweise neueren Datums. Sie stellen jedoch ein Bindeglied zu viel älteren Traditionen, welche bis in die Zeit um 1400-1500 v. Chr. zurückreichen, dar. Von Generation zu Generation wurden diese mündlich überliefert, bis sie schließlich in den heiligen Gedichten, den Weden, niedergelegt wurden. Der Rig Weda enthält beispielsweise mehr als 800 Verse zu Ehren von Soma - Super-Arznei und Gott der Narkotika und erst in jüngerer Zeit als Fliegenpilz Amanita muscaria identifiziert - das Schmerzen linderte, die Lebenskräfte stärkte und halluzinatorisch wirkte.

Fliegenpilz, Rauwolfia und Hanf gehören zu den bedeutendsten heiligen Pflanzen, die häufig in den indischen Veden und in alten chinesischen Manuskripten erwähnt werden.

FLIEGENPILZ Amanita muscaria RAUWOLFIA Rauvolfia HANF Cannabis

FLIEGENPILZ
Amanita muscaria

RAUWOLFIA
Rauvolfia

HANF
Cannabis

Groß ist die Zahl der in den Weden enthaltenen Hinweise auf Heilpflanzen. Eine Spezies, die Schlangenwurzel oder Rauwolfia serpentina, hat in Indien eine 4000jährige Vergangenheit in der Behandlung von Schlangenbissen, Geisteskrankheiten, Epilepsie und einer Vielfalt unbedeutenderer Unpässlichkeiten. Während der letzten 40 Jahre hat Rauwolfia als Beruhigungsmittel und zur Senkung des Blutdruckes die Medizin des Westens förmlich revolutioniert. Es ist weitgehend dem Interesse indischer Wissenschafter an den pharmakologischen Überlieferungen der eingeborenen Bevölkerung zuzuschreiben, dass um 1940 das medizinisch höchst wichtige Alkaloid der Schlangenwurzel, das Reserpin, isoliert werden konnte.

Indra, Hauptgottheiten im Indien Eine wohlhabende Dame raucht Haschisch aus einer Wasserpfeife. Persische Miniatur

Indra, eine der Hauptgottheiten im alten Indien, gewann ihre Macht und Energie aus dem Somatrunk. Dieses als Supermedizin bekannte Getränk, erwähnt in der Rig-Veda, wurde aus Fliegenpilzen hergestellt.

Eine wohlhabende Dame raucht Haschisch aus einer Wasserpfeife. Persische Miniatur aus dem 14. Jahrhundert.

Während Cannabis , oder Hanf, heute weitgehend als Narkotikum bekannt ist, weist er doch über eine bemerkenswerte Vergangenheit in der Volksheilkunde auf, und es ist wahrscheinlich, dass einige der 50 Cannabis-Wirkstoffe oder deren halbsynthetische Äquivalente in der westlichen Medizin eine große Rolle zu spielen vermögen. Hanf ist eine der ältesten kultivierten Pflanzen der Menschheit. Seit 4800 Jahren wird er in China als Arznei verwendet, und indische Schriften wiesen bereits vor etwa 3500 Jahren auf eine solche Verwendung hin. Während des ganzen Mittelalters pries Europa den Hanf als Arznei, und bis 1937 führte die Pharmakopöe der Vereinigten Staaten ihn offiziell als Beruhigungsmittel.

Arzt. Altchinesische Malerei.

Ein weiser Arzt übergibt einem Knaben einen Pfirsich, Symbol für ein langes Leben. Zu seiner Linken ist eine traditionelle Medizinerkalabasse erkennbar. Altchinesische Malerei.

Salbei Kurkumawurzel Enzianart Bockshornklee

Vier Heilpflanzen aus einem alten chinesischen Kräuterbuch. Von links nach rechts: der Salbei, die Kurkumawurzel, eine Enzianart und der Bockshornklee.

Vor ungefähr 5000 Jahren wurden Lungenkrankheiten in China mit einer eigenartigen blattlosen Wüstenrebe, Ma-Huang, behandelt. Das früheste der chinesischen medizinischen Werke, der Pen Tsao von Shen Nung, stammt ungefähr aus dem Jahre 2900 v. Chr. und fasst jahrhundertelange Erfahrungen in der Volksheilkunde zusammen. Das Werk führte insgesamt 365 Drogen auf und beschrieb unter anderem die Tugenden des Ma-Huang. Dabei handelt es sich um einen Tee mit den Eigenschaften, die Zirkulation anzuregen, Fieber zu senken, die Funktionen des Harntraktes zu korrigieren und Husten zu lindern. Seine größten Vorzüge lagen jedoch in seiner Wirksamkeit bei pulmonalen oder bronchialen Erkrankungen.

In China bereits früh und weit verbreitete Arzneien waren Rhabarber als mild wirkendes Abführmittel und Dichroa febrifuga zur Fiebersenkung. Rizinusöl, Kampfer und Hanf oder Ta-Ma spielten ebenfalls eine große Rolle. Obwohl im alten China chirurgische Eingriffe nicht zur Regel gehörten, soll Hua To im 3. Jahrhundert n. Chr. seine Patienten vor den sehr schmerzhaften Schädelaufmeißelungen mit einer Mixtur aus Eisenhut und Hanf narkotisiert haben.

Seit frühesten Zeiten ist die Lepra eine der Geißeln der Menschheit. Interessanterweise berichten die Chinesen aber bereits in ihrer Pharmakopöe aus dem Jahre 2500 v. Chr. -und die Inder etwas später - über den Wert des Chaulmoogra Öles. Die Herkunft des aus Samen gewonnenen Öles war jedoch bis 1920 nicht mit Sicherheit bekannt. Erst dann identifizierte ein amerikanischer Botaniker, der in das Innere Chinas vorstieß, es als das Produkt verschiedener Spezies Hydnocarpus. Mit seiner Heilwirkung bei Lepra im Anfangsstadium war Chaulmoogra Öl ein erster Durchbruch im Kampfe gegen diese uralte Seuche.

Obschon es sich bei der Bibel nicht um ein ethnobotanisches Dokument handelt, enthalten sowohl das Alte als auch das Neue Testament Hinweise auf die Verwendung von Pflanzen. Ungefähr 30 Heilpflanzen werden erwähnt, eine verhältnismäßig kleine Zahl, darunter Knoblauch, Zwiebel, Lauch, Kreuzkümmel, Ölbaum, Lorbeer, Alraun, Minzen, Raute und Nessel. Es scheint, dass bei den Juden weit weniger Heilpflanzen als bei den benachbarten Völkern im Nahen Osten verwendet wurden -eine interessante Beobachtung im Hinblick auf den frühen und langen Aufenthalt der Hebräer in Ägypten und Babylonien.

Bei den alten Griechen sind auf dem Gebiete der Heilbotanik vier Namen von besonderer Bedeutung: Hippokrates, Aristoteles, Theophrastus und Dioskorides.

Hippokrates - er gilt als der Vater der modernen Medizin - kannte 300 bis 400 Heilpflanzen, also weniger als die Ägypter. Er glaubte, der menschliche Körper heile sich weitgehend selbst und benötige zur Wiederherstellung der Gesundheit nur wenig Unterstützung durch Arzneien sowie eine angemessene Diät. Hippokrates nimmt insofern eine fast einmalige Stellung ein, als er die Dämonenlehre nicht mit den Heilkräften der Kräuter in Verbindung brachte.

Der große Philosoph Aristoteles schrieb jeder Pflanze die damals bekannten Eigenschaften zu.

Theophrastus, in erster Linie Botaniker, beschrieb viele griechische und ausländische Pflanzen und zählte ihre Verwendungszwecke auf. Seine Abhandlung «Systematik der Botanik» hatte während annähernd 20 Jahrhunderten tiefgreifenden Einfluss auf die Botanik und die Pharmakologie.

Der einflussreichste griechische Schriftsteller auf dem Gebiete der Heilpflanzen war jedoch Dioskorides, dessen Buch De Materia Medica nicht nur wegweisend für die großen europäischen Kräuterbücher des Mittelalters wurde, sondern auch zum Prototyp unserer modernen Pharmakopöen. Der Einfluss des Dioskorides war überwältigend. Bis zur Renaissance galt er als unfehlbare Autorität in Fragen der Medizin und Botanik.

Lehrbuch «Ni Chei»Aus dem ältesten chinesischen Lehrbuch, «Ni Chei»:

«In jedem Yang ist auch ein Yin, in jedem Yin auch ein Yang. Sind Yin und Yang nicht in Harmonie, so geht die Lebenskraft verloren. Wird ein Körper, in dem sich Yin und Yang nicht die Waage halten, dem Tau und Wind ausgesetzt, sind Erkältungen und Fieber die Folge.»

Yang ist die männliche, licht- und wärmespendende Energie, Yin die weibliche Kraft der Dunkelheit, Kälte und Leere. Der gesamte Heilungsprozess besteht in der Ausbalancierung beider Kräfte.

Die Ärzte Chinas haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Erkenntnisse der traditionellen chinesischen Medizin wissenschaftlich auszuwerten. Damit werden wir die Möglichkeit erhalten, aus den Ergebnissen der hervorragenden Krankenbeobachtungen, aus dem Wissen, das durch Jahrtausende zusammengetragen wurde, jene Weisheiten herauszulesen, die natürliches Heilen und Pflegen leichter machen.

Kräuterväter von der Antike

Die großen Kräuterväter von der Antike bis zum Mittelalter sind auf dieser Illustration aus dem späten 15. Jahrhundert um den Griechen Dioskorides versammelt. Im Vordergrund links erkennt man den Römer Plinius, rechts von ihm sitzt ein arabischer Kräuterarzt.

Zwei der im Mittelalter am häufigsten gebrauchten Heilpflanzen.

MUTTERKORN Claviceps purpurea & TOLLKIRSCHE Atropa belladonna

MUTTERKORN
Claviceps purpurea

TOLLKIRSCHE
Atropa belladonna

Roms Beitrag an die Heilpflanzenkunde war gering. Die Naturgeschichte von Plinius d. Ä. brachte keine neuen Impulse. Der gleichwohl große Wert seines Buches liegt darin, dass er in diesem ungefähr 2000 Abhandlungen von insgesamt 326 Griechen und 146 Römern zusammenfasste. Viel von Plinius' Naturheilkunde wurde Volksgut Europas und der Neuen Welt.

DIE KULTUREN DES MITTELALTERS

Die frühen Kenntnisse über Heilpflanzen beeinflussten das Europa des ganzen Mittelalters, und einiges davon überdauerte bis in die heutige Zeit. Die Nachtschattengewächse Tollkirsche, Bilsenkraut und Alraun waren beispielsweise wegen ihres Gehaltes an Tropan Alkaloiden auf dem Kontinent bereits in den Anfängen der Volksheilkunde für einen weiten Bereich medizinischer Anwendungen bekannt. Eine ebenso große Rolle spielten sie in der Hexerei und Zauberei des Mittelalters. Dies mag einer der Gründe sein, warum pharmakologisch so wichtige Pflanzen wie die Tollkirsche und das Bilsenkraut in der Londoner Pharmakopöe erst nach 1809 aufgenommen wurden.

Eines der am häufigsten verschriebenen Herzmittel, Digitalis , wurde in England und Wales bereits im 10. Jahrhundert verwendet. Die kardiotonischen Eigenschaften des Fingerhutes fanden jedoch erst 1775 Eingang in die moderne Medizin, nachdem Dr. Withering die von Bauernfrauen in Shropshire verordneten Behandlungen beobachtet und so die abschwellende Wirkung bei Ödemen kennengelernt hatte.

Das verblüffendste naturheilkundliche Erbe hat die moderne Medizin wohl mit dem Mutterkorn angetreten. Bereits in alten Zeiten wurde diese pilzige Erkrankung des Roggens und anderer Getreidearten in Asien medizinisch verwendet, und im Europa des Mittelalters schätzten es die Hebammen bei schweren Geburten. Wenn jedoch Fruchtkörper des Pilzes versehentlich in das Mehl und so in das Brot gerieten, wurden ganze Städte vergiftet. Viele Menschen erlagen jeweils den Vergiftungserscheinungen, andere erlitten Halluzinationen oder permanente Geistesstörungen. Durch den durch das Mutterkorn verursachten Blutmangel wurden Ohrläppchen, Finger und Zehen brandig und starben ab, eine Krankheit, die unter dem Namen Wundrose bekannt war. Heute finden die Alkaloide des Mutterkorns immer noch Verwendung, so als Relaxans der unwillkürlichen Muskulatur zur Einleitung von Geburten, wegen ihrer ausgeprägten gefäßverengenden Eigenschaften zur Stillung nachträglicher Blutungen, sowie bei der Behandlung von Migräne.

Plinius war es, der eine Idee herauskristallisierte, die zwar ihren Ursprung vermutlich bei den Griechen hatte, aber in der einen oder anderen Form auch bei anderen, über die ganze Welt verstreuten Kulturkreisen gefunden wurde: 1) dass die Natur dem Menschen diene; 2) dass die Pflanzen zur Nutzung durch den Menschen geschaffen wurden; und 3) dass demzufolge alle Pflanzen ohne ersichtlichen Nutzwert (Nahrung, Bekleidung, Bauholz usw.) mit gewissen medizinischen Eigenschaften ausgestattet sein müssen.

Der Keim dieser Idee fand ihren übersteigertesten Ausdruck in der berühmten «Signaturenlehre» des Schweizer Arztes Paracelsus, der von 1443 bis 1541 lebte und dessen vollständiger Name Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim lautete. Paracelsus, einer der exzentrischsten Geister seiner Zeit, war der Entdecker des Wasserstoffes. Der Nachwelt hinterließ er eine Fülle wirrer Ideen auf botanischem und chemischem Gebiet. Auf seine Entlassung als Professor in Basel folgte ein unruhiges Wanderleben als Arzt in Europa, wobei er Volkswissen über Heilpflanzen zusammentrug.

Nach Paracelsus sind die Kräuter nicht nur zum Nutzen des Menschen erschaffen, sie sind zudem vom Schöpfer mit deutlichen Merkmalen oder Signaturen ausgestattet worden, die Hinweise auf ihren Verwendungszweck geben. So deutet ein herzförmiges Blatt beispielsweise daraufhin, dass es sich bei der betreffenden Pflanze um ein Heilmittel bei Herzkrankheiten handelt. Die Ähnlichkeit der Walnüsse mit dem menschlichen Gehirn galt als Zeichen für deren Wirksamkeit bei der Behandlung von Geisteskrankheiten. Von Kräutern mit gelbem Saft oder gelber Gummimilch glaubte man, sie verursachten Gelbsucht. Viele der volkstümlichen europäischen Pflanzennamen haben ihren Ursprung in der Signaturenlehre: Bartflechte, Hahnenfuß, Fuchsschwanzgras, Gänsefuß usw.

Ein häufig verschriebenes Herzmittel, Digitalis, wurde in England und Wales bereits im 10. Jhd. verwendet. Die kardiotonischen Eigenschaften des Fingerhutes (Digitalis purpurea) wurden jedoch erst gegen Ende des 18. Jhd. für die moderne Medizin entdeckt.

Unten: In seinem Buch Phytognomonica, 1588, erweiterte der italienische Arzt Giambattista della Porta die Signaturenlehre, indem er die Eigenschaften der Heilpflanzen mit den von Aristoteles entwickelten astronomischen Theorien in Verbindung brachte.

Digitalis purpurea
Heilpflanzen mit astronomischen Theorien

Bis ungefähr 1470 dauerte in Europa der Einfluss von Dioskorides und anderen Schriftstellern der Klassik auf die Botanik und Medizin an. Danach begannen Kräutersammler selbst mit dem Studium der Pflanzen und schufen wegweisende Beschreibungen und Illustrationen, und Pflanzenbücher tauchten auf. Vorerst handelte es sich dabei um zurechtgestutzte Versionen von Dioskorides. Erst ab 1670 löste sich die Botanik von der Medizin, was beiden Wissenschaftszweigen zum Vorteil gereichte. Und es dauerte nicht mehr lange, bis die Signaturenlehre vollständig in Misskredit geriet. Nichtsdestoweniger war der Ruf, den sich gewisse Pflanzen über so lange Zeit angeeignet hatten, nicht leicht zu zerstören. Durch Ausprobieren erlangten Pflanzen ohne spezielle Signaturen im Laufe der Jahrhunderte hohes Ansehen als Heilmittel, und die Wirksamkeit einiger, die sich bis in die neuere Zeit halten konnten, ist durch moderne chemische und pharmazeutische Untersuchungen erhärtet worden. Als Beispiel hierfür kann der Fingerhut gelten.


      


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