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Heilpflanzen und ihre Kräfte

Ein Ratgeber für Fragen der Gesundheitsmedizin auf natürlicher Basis

Arzneien, die Hände der Götter - Die Renaissance der Phytotherapie

HeilpflanzenDer wahrscheinlich im Jahre 339 in Trier als Sohn einer angesehenen römischen Familie geborene lateinische Kirchenvater Ambrosius, der 397 als Bischof von Mailand starb, hat in seiner cthisch-apologetischen Schrift, dem «Hexameron», die Ansicht vertreten, dass die Heilkunst ihren Anfang von der Kenntnis der heilkräftigen Kräuter genommen haben müsse. Er lebte zwar schon in einer anderen geistigen Welt als die großen Ärzte der Antike, an ihrer Spitze Hippokratcs (460-375 v.Chr.) und Galen (129-199 n.Chr.), und für ihn standen diejenigen Heilmittel, die Gott durch Christus Medicus, den neuen Heiland, geschenkt hatte, also der Glaube an die göttliche Liebe und Barmherzigkeit gerade für den kranken Menschen, im Vordergrund, doch verachtete er die zweite Gruppe von Heilmitteln nicht, die Gott der Schöpfer in seiner weisen Voraussicht in der Natur für den Menschen wachsen ließ. Er betonte:

«Alles, was der Erde entsprießt, hat seine besondere Zweckbestimmung und trägt nach Kräften bei zur Vollendung der Gesamtschöpfung. Nichts ist umsonst, nichts unnütz, was der Erde entsprießt. Was dir nutzlos dünkt, nützt anderen, ja nützt dir häufig selbst bei anderweitigem Gebrauch. Was nicht zur Speise dient, wirkt als Heilmittel, und oft bietet das nämliche, was dir schädlich ist, Vögeln und wilden Tieren eine unschädliche Nahrung.»

Schon vor Ambrosius hatte der große frühchristliche Denker Origenes (um 185 bis um 253), der mit seinem Zeitgenossen Tertullian (160-225) die Lehre vom Fegefeuer als dem Zwischenaufenthaltsort sündiger Seelen im Jenseits begründete, die gleiche Überzeugung geäußert: «Gott selbst ließ ... die Heilkräuter aus der Erde sprießen.»

Beide Kirchenväter bezogen sich bei ihrer Bewertung der pflanzlichen Heilmittel dabei wohl auf eine noch ältere Quelle. Denn wie der als Leibarzt von Kaiser Claudius (10-54 n.Chr.) im ersten nachchristlichen Jahrhundert wirkende Scribonius Largus betont hatte, seien die Arzneien die Hände Gottes. Aber auch Scribonius Largus hatte bezüglich dieses Topos einen Vorgänger, den im dritten Jahrhundert v. Chr. in Alexandrien wirkenden Herophilos (315 bis um 250 v. Chr.), der in seinem Aphorismus, noch im Glauben an die griechische Götterwelt befangen, von den Arzneien als den Händen der Götter gesprochen haben soll. Der leine Unterschied, der darin liegt, dass Scribonius Largus den lateinischen Genetiv singularis «Dei» setzte, während Herophilos noch die Pluralform anwandte,  lässt vermuten, dass es sich bei dem römischen Arzt bereits um einen dem Christentum zuneigenden Mediziner gehandelt haben dürfte. Wie dem auch sei, Scribonius Largus wollte damit wohl in erster Linie seine Leser darauf aufmerksam machen, dass neben der in der Antike als wichtigste Säule der Heilkunde angesehenen «Diaita», der Regelung der gesamten Lebensführung, die Heilkräuter ein wesentlicher Bestandteil der Ars medica waren, die er im übrigen, auch das ist bezeichnend, nicht wie üblich von mederi = heilen, sondern von medicamentum = das Heilmittel ableitete, um damit die Bedeutung der Pharmakotherapie zu unterstreichen.

Ursprünglich hatte der uralte griechische Begriff «Pharmakon» eine vierfache Bedeutung gehabt. Wahrscheinlich von pherein = fruchttragen abgeleitet, wurde er sowohl für ein künstliches Mittel zur Erzeugung besonderer Wirkung, für einen Zaubertrank und auch für die Begriffe «Gift» und «Heilmittel» verwandt. Den Römern war diese Begriffsbestimmung zu ungenau, und sie belegten daher jede dieser Wirkungsqualitäten mit einem eigenen Terminus. Für das künstliche Mittel wurde der Begriff «factitium» eingeführt, der später über das portugiesische «feitiç zum Fetisch wurde, einem Zauberapparat, der in der Hand afrikanischer Medizinmänner erst nach bestimmten Manipulationen besondere gesundheitsfördernde und krankheitsbannende Wirkungen entfalten sollte. Als eigentlicher Zaubertrank kam er etwa schon in Homers «Odyssee» vor, wo Kirke mit Hilfe eines derartigen Saftes die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelte und Helena den todtraurigen, nach seinem Vater suchenden Odysseus-Sohn Telemachos mit einem solchen Kräutersud in den Zustand der «Ataraxia» versetzte. Bis zum heutigen Tag dauert die Diskussion über die wirksamen Drogen in diesem Vergessenheitstrank «Nepenthes» an, von dem der Homerische Dichter berichtete:

«Schnell in den Wein warf jene, wovon sie tranken, ein Mittel, Kummer zu tilgen und Groll und jeglicher Leiden Gedächtnis.»

Man ist heute der Auffassung, dass sich am ehesten eine Opiumpräparation dafür in jener Zeit geeignet haben könnte. Diese Zaubertränke nannten die Römer «Verbena», während sie im Gegensatz zu den Griechen zwischen Pharmakon als Gift mit dem lateinischen Namen «Venenum» oder «Virus» und Pharmakon als Heilmittel mit dem lateinischen Terminus «Medicamentum» differenzierten und unter «Remedium» zusätzlich alle übrigen, äußerlich angewandten Heilmaßnahmen verstanden, vor allem wohl diejenigen, die wir heute der physikalischen Therapie zuordnen würden. Aus moderner Sicht muss man sagen, dass die Griechen offensichtlich deutlicher als die Römer die verschiedenartige Wirksamkeit einschlägiger Pharmaka erkannt hatten, und wir sind heute wieder eher bereit, im Pharmakon nicht nur die heilsame, sondern auch bezüglich der Nebenwirkungen und der Gefahren der Überdosierung die gefährdende Wirkung zu sehen. Doch sollten wir in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass bereits Paracelsus (1493-1541) diese alte griechische Erfahrung wieder belebte, als er darauf hinwies:

«Alle Ding sind Gift und nit ohn Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.»

Wenn man mit den meisten modernen Medizinhistorikern wie Henry Ernst Sigerist (1891-1957) und Paul Diepgen (1878-1966) annimmt, dass in der ersten Phase der Menschheitsentwicklung eine auf reiner Beobachtung beruhende empirische Heilkunde geübt wurde, wie sie im übrigen auch im Tierreich als Selbsthilfemaßnahme beobachtet werden kann, dann bestand die älteste Phytotherapie zweifellos in der Auflegung von Blättern, die zur Wundheilung oder zur Schmerzlinderung dienten, und es sind gewiss sehr früh schon Heilpflanzen gefunden worden, die sich als anregende Heilmittel (Kaffeebohnen) oder als Beruhigungsmittel (Opium) steigender Beliebtheit erfreuten. Aber auch Pflanzen, die Durchfallskrankheiten stoppten oder im Gegenteil heilsame Darmentleerungen auslösten, sind sicherlich auf diesem frühen empirischen Wege gefunden worden.

Erst in einer zweiten Phase der Menschheit, als der Homo sapiens begann, sich selbst reflektierend gegenüberzustehen und nach den Ursachen der Krankheiten zu fragen, begann die Epoche des Animismus und der Dämonologie, aus der Vorstellung nämlich, dass ungerichtete feindliche Kräfte auf den Organismus des einzelnen Menschen oder ganzer Sippen einwirken könnten, wobei in dieser Phase bereits bestimmte, meist anthropozoomorph gedachte oder dargestellte bösartige Kräfte dem Menschen Schaden zufügen und auf diese Weise Krankheiten auslösen sollten. Nun genügte natürlich nicht mehr die Verwendung der empirisch gefundenen Heilpflanzen, sondern es mussten dafür besonders prädestinierte Heilkundige, die wir gemeinhin mit dem Namen «Medizinmann» belegen, zum Teil durch Zauberdrogen oder magische Praktiken den Einfluss dieser Krankheitsdämonen zurückdrängen, neutralisieren oder gar vorsorglich von den anvertrauten Klienten abwehren.

Dies ist die Zeit, in der bestimmte magische Praktiken Eingang in die Phytotherapie fanden. Die in der Heilbehandlung verwandten Drogen wurden nicht mehr nur nach ihrem effektiven, in Jahrtausenden bewährten Wirkungen beurteilt, sondern auch nach der Möglichkeit, auf magische Weise das Wirken überirdischer Kräfte zu beeinflussen. Analogie- und Imanationszauber waren nun an der Tagesordnung, und neben kunstvoll verfertigte Fetische und die Logo- und Musiktherapie traten auch ganz bestimmte Heilpflanzen, meist mit starken pharmakologischen Wirkungen, die entweder dem vom Dämon befallenen Patienten appliziert oder dem personifizierten Krankheitsverursacher angeboten wurden, um ihn zu neutralisieren. Zu dieser Gruppe von Pharmaka gehörten die verschiedenen Tabakzubereitungen in der Neuen Welt.

Zwei Illustrationen zum Thema Alraune-Hund: Band man einen Hund an die begehrte Wurzel und stellte ihm ein Wassergefäß oder seine Lieblingsspeise in die Nähe, so versuchte er alsbald dorthin zu laufen. Dabei riss er die Wurzel aus dem Boden und soll infolge ihrer toxischen Wirkung sofort tot umgefallen sein. Die Heilwurzel konnte nunmehr gefahrlos zur Behandlung verschiedenster Krankheiten verwendet werden.

Vielen Drogen wurde in diesem Zusammenhang sogar ein Eigenleben zugestanden. Typisch für diese Vorstellungen sind die zahlreichen Legenden, die sich um die geheimnisvolle Alraunwurzel, die Mandragora, rankten. Schon in der heidnisch-antiken Zeit galt sie als eine besonders gefährliche Pflanze, weil man infolge einer menschengestaltlichen Ähnlichkeit der Wurzel in ihr Homunculi aus dem Pflanzenreich vermutete. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius (37 bis um 100 n.Chr.) berichtete in seiner Darstellung des letzten verzweifelten Verteidigungskampfes der Juden gegen die Römer im «Bellum judaicum» von einer Pflanze, deren Wurzeln für die Kräutersammler, die sogenannten «Rhizotomen», tödlich sein könnte. Darum sollten diese einen Hund zur Ernte der Pflanze benutzen. Aber schon längst vor ihm hatte der griechische Autor Theophrast (um 370-287 v.Chr.) diese Methode beschrieben. Beim Herausziehen der menschenähnlich gestalteten Wurzeln - man unterschied bereits zwischen weiblichen und männlichen Alraunen - sollten diese einen furchtbaren Schrei ausstoßen, und ihr Gift sollte die Rhizotomen tot niedersinken lassen. Daher wurde empfohlen, einen Hund an die Wurzel anzubinden und ihm ein Wassergefäß oder seine Lieblingsspeise in die Nähe zu stellen. Der Hund würde verständlicherweise sogleich versuchen, dorthin zu laufen, dabei die Wurzel aus dem Boden reißen und infolge ihrer toxischen Wirkung tot umfallen. Diese wäre dann jedoch unschädlich und könnte bei den verschiedensten Krankheiten, z. B. bei Epilepsie und Augenkrankheiten, verwendet werden. Nach volksmedizinischer Ansicht wuchs sie besonders üppig in der Nähe von Hinrichtungsplätzen, und manche meinten, dass sie sich aus dem Blut oder dem Sperma von Gehenkten oder Erschlagenen entwickle. Dem schrecklichen Todesschrei sollte man sich durch Trompetenblasen oder das Verstopfen der Ohren entziehen. Von der Spätantike an bis weit in die Neuzeit ist diese gefährliche Gewinnung der Mandragora mit Hilfe eines apportierenden Hundes immer wieder dargestellt worden. So in dem seit kurzem in einem Faksimiledruck wieder zugänglichen «Tarcuinum sanitatis», einem in der Wiener Staatsbibliothek aufbewahrten Codex, der um 1390 entstanden ist und auf den nestorianischchristlichen Arzt Ibn Botlan zurückgeht, der sich arabisch umbenannt hatte und im Abendland meist als Elluchasem verballhornt wurde. Eine Abbildung dieser wundersamen Pflanze findet sich auch schon in dem Prachtcodex der Wiener illuminierten Dioskorides-Handschrift, der Anfang des 6. Jahrhunderts im Auftrag der Bürgerschaft von Pera bei Konstantinopel für die byzantinische Prinzessin Anacia Juliana zum Dank für die Stiftung einer Kirche in Auftrag gegeben worden war und der ebenfalls als Kodex Vindobonensis Med. Gr. 1 vor einigen Jahren eine Faksimileausgabe erlebte.

Die altgriechischen Definitionen des Pharmakons als eines künstlichen Mittels, eines Zaubertranks, eines Giftes und einer Heilpflanze sind auch in unseren Tagen keineswegs vergessen, selbst wenn die Patienten natürlich keine Ahnung mehr haben, dass es sich dabei früher einmal um schulmedizinisches Wissen gehandelt hat. Nach Diepgen muss man hier von der Tatsache des gesunkenen Kulturgutes ausgehen, d. h. dass in früheren Jahrhunderten als wissenschaftlich anerkannte Phänomene allmählich in die Volksmedizin eingegliedert wurden und nach langer Zeit als urtümliche Vorstellung im nichtärztlichen Bereich wieder auftauchen. Dies ist zum Beispiel typisch für die nach wie vor in vielen Schichten unserer Bevölkerung gängige Vorstellung, dass ein Siebenmonatskind eine bessere Lebenschance als ein solches nach achtmonatiger Schwangerschaft hätte. So lautete in der Tat die von älteren magischen Zahlenvorstellungen geprägte Lehre der Hippokratiker, die natürlich in unseren Tagen wissenschaftlich keineswegs mehr gestützt werden kann, da es außer Zweifel steht, dass ein um einen Monat reiferes Kind wesentlich bessere Lebenschancen hat als eine Frühgeburt im 7. Monat. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass bei bestimmten Geburtshindernissen der Frau ein kleinerer Embryo noch eine Chance hat, auf natürlichem Wege geboren zu werden, während ein größerer ohne Kaiserschnitt nicht mehr auf natürlichem Weg entbunden werden kann.

Das in sich wertneutrale künstliche Mittel der antiken Epoche kann heute vielleicht im Zusammenhang mit dem Placebobegriff verstanden werden. Denn für ihn trifft genau diese Definition zu, weil eine inerte Substanz erst durch eine entsprechende Suggestion durch den Arzt seine Wirkung am Patienten entfalten kann. Der Begriff entstammt dem Kirchenlatein und hat erst nach dem Zweiten Weltkrieg in die europäische medizinische Terminologie Eingang gefunden, obwohl er im anglo-amerikanischen Sprachraum schon seit 1787 auf ein Scheinmedikament Anwendung fand. Das Wort «Placebo» erscheint nämlich im letzten Satz des 116. bzw. des 114. Psalms der «Vulgata», wo von der Auferstehung der Toten die Rede ist: «Placebo domino in regione vivorum.» (Ich werde dem Herrn im Reiche der Lebenden gefallen.)

Er wurde im Mittelalter besonders häufig in Vespern der Totenmesse rezitiert und später von einem naturgemäß an der Trauer der Angehörigen nur wenig Anteil nehmenden Kirchenchor gegen Entgelt gesungen. Die Chormitglieder wurden daher bald «Placebos» genannt und dieser Begriff auf Schmeichler und diejenigen Personen übertragen, die stets, wie dies ein altes Sprichwort sagt, «ihren Mantel nach dem Winde hängen». In dieser Form hat kein Geringerer als Pieter Breughel d. Ä. (1520-1569) in seiner Darstellung holländischer Sprichwörter auch einen «Placebo» in dieser Form gemalt. Auf diesem Wege hat das Wort über die englische Sprache und über Amerika den alten Kontinent erreicht. Vielfältige Untersuchungen haben inzwischen ergeben, dass zahlreiche «Arzneimitteleffekte» bis zu 35% als Placebowirkungen angesehen werden müssen, weil die in Aussehen, Geschmack und in der ärztlichen Suggestion als mit einem eigentlichen Wirkstoff gleichwertig propagierten Substanzen beim Patienten bestimmte psychosomatische Erscheinungen auslösen. dass dieser Placeboeffekt bei den Heilmitteln eintrat, die schon durch ihren Namen, ihren eigenartigen Duft und Geschmack oder gar, wie bei der Mandragora, durch eine Legendenbildung prädestiniert waren und dann eben solche Pharmakoneffekte tatsächlich ausgelöst haben, ist leicht einzusehen. Auch der moderne Arzt muss mit ihrer Wirkung rechnen.

Placeboeffekte spielen gerade auch in der Phytotherapie unserer Tage eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die zweite Bedeutung des griechischen Begriffes «Pharmakon», nämlich Zaubertrank, ist noch keineswegs ganz aus dem Blickfeld unserer Zeitgenossen entschwunden. Denn es besteht kein Zweifel, dass bestimmten Drogen über die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus besondere Wirkungen nachgesagt werden. Hier sei nur an die Ginsengwurzel erinnert, der eine lebensverlängernde und allgemein gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben wurde, obwohl dies bis zum heutigen Tage wissenschaftlich nicht bewiesen werden konnte. Auch die berühmten Panazeen, die auf die Tochter des Asklepios Panakeia zurückgeführt wurden, standen in früheren Zeiten in diesem Ruf. Besonders berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang der Theriak, der in Tausenden von Rezepten zum Teil mehr als hundert Ingredienzien enthielt und als Allheilmittel und Prophylaktikum gegen alle Unbilden dieser Welt angesehen wurde. Seine Hauptbestandteile dürften Opium und Schlangenfleisch gewesen sein. Bei dem ersteren ist ein einwandfreier pharmakologischer Effekt zu vermuten, bei dem letzteren ist wohl davon auszugehen, dass den Giftschlangen stets besondere pharmakologische Qualitäten zugeschrieben wurden, weil sie, obwohl Gift produzierend, selbst nicht an diesem Wirkstoff erkrankten und somit, um einen modernen Begriff zu wählen, bei ihnen eine Art Immunität vorausgesetzt wurde, die im Theriak auf den Konsumenten übergehen sollte. Die Herstellung des Theriaks war in der Regel den Stadtapothekern unter der Aufsicht der Stadtärzte vorbehalten und wurde einmal im Jahr in aller Öffentlichkeit vollzogen, um Falsifikationen auszuschließen. Der regelmäßige Genuß von Theriak sollte vor zahlreichen Krankheiten bewahren. Es ist interessant, dass auch noch im vorletzten Deutschen Arzneibuch eine Theriakzubereitung, allerdings nicht mehr mit Vipernfleisch, sondern nur noch mit dem Hauptwirkstoff «Tinctura opii», offizinell war und dass es immer noch betagte Patientinnen gibt, die sich in Apotheken Theriakpräparationen herstellen lassen. Ähnlichen Vorstellungen lag sicherlich die Verwendung des sogenannten «Haarlemer Öls» oder von bestimmten Präparationen des Melissengeistes zugrunde, der noch heute in seiner Wirkung eine Potenzierung durch das Warenzeichen der drei Klosterfrauen erfährt.

Was schließlich das Pharmakon als Gift und Heilmittel betrifft, so hat man gerade in jüngster Zeit wieder erkennen müssen, dass viele seit langer Zeit eingeführte Pharmaka Nebenwirkungen entfalten, die früher unbeachtet blieben oder mit den damaligen pharmakologischen Methoden noch nicht erkannt werden konnten. So ist ζ. B. für die seit über 100 Jahren eingeführte Azetylsalizylsäure ein neuer Angriffspunkt in der Nebennierenrinde erst vor kurzem entdeckt worden. Die Warnungen vor manchen seit langem eingeführten Heilmitteln, die im Laufe der Zeit erhebliche Nebenwirkungen hervorgerufen haben, zeigen, dass man auch mit den im chemischen Laboratorium entwickelten isolierten oder synthetisierten Wirkstoffen nach wie vor auf der Hut sein muss.

Aber kehren wir noch einmal in die Antike und in die Zeit der Kirchenväter zurück. Mit den sogenannten Vorsokratikern begann die Entmythologisierung der antiken Welt. Nicht mehr das Wirken unsterblicher individuell gedachter Gewalten, sondern bestimmter universaler Naturkräfte, nicht mehr Schöpfung, sondern eine Art «Urzeugung» sollte nach Auffassung dieser Vertreter die Welt hervorgebracht haben und unterhalten. Ursprünglich ging man von einem Urstoff des ganzen Kosmos aus. Thales von Milet, der in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. lebte, bezeichnete ihn als «Archae» und sah ihn im Wasser konkretisiert. Anaximander (611-547 v. Chr.) benannte ihn «Apeiron» = das Unendliche und nahm die Urzeugung des Menschen aus einer Art Urschlamm an, aus dem auch sämtliche Tiere und Pflanzen entstanden seien. Anaximenes im 6. vorchristlichen Jahrhundert, rund ein Säkulum nach Anaximander geboren, sah in der Luft das lebensspendende Prinzip und führte damit ein funktionelles Prinzip in die Betrachtungsweise der Zeit ein. Protagoras aus Abdera, dem antiken Schiida (ca. 485 bis um 514 v.Chr.), entthronte endgültig um 450 die Götter, indem er den Menschen als Maß aller Dinge herausstellte. Der griechische Humanismus war geboren: «Das Maß aller Dinge ist der Mensch, der Seienden, dass sie sind, der Nichtseienden, dass sie nicht sind. Über die Götter weiß ich nichts zu sagen, weder dass sie sind, noch dass sie nicht sind, noch welcherlei Art. Denn vieles hindert unsere Erkenntnis, die Dunkelheit des Gegenstandes und die Kürze des menschlichen Lebens.»

Akmaion von Kroton um 500 v. Chr. und Pythagoras hielten den ständigen Ausgleich der Kräfte für das Phänomen der Gesundheit, und Empedokles erstellte schließlich (490-430 v.Chr.) die Vierelementenlehre, aus der sich bald, eingeführt vom Schwiegersohn des Hippokrates, Polybos, die sogenannte Viersäftelehre entwickelte, die jahrhundertelang bis weit in die Neuzeit hinein die abendländische Medizin bestimmen sollte. Ausgehend von der Vorstellung, dass der Mikrokosmos dieser Welt dem Makrokosmos entspreche, wurden auch den Pflanzen bestimmte Qualitäten zuerkannt, die auf die Humores von Mensch und Tier abgestimmt angenommen wurden. So entwickelte sich eine differenziertere Qualitätenlehre. Die vier Grundphänomene, Erde, Feuer, Luft und Wasser, die sich im Körper der Lebewesen als Schwarze Galle, Gelbe Galle, Blut und Schleim manifestierten und mit den Qualitäten trocken, warm, feucht und kalt identifiziert wurden, sollten auch in den Pflanzen existent sein. Und bei Verschiebungen des harmonischen Säftegleichgewichts, der Eukrasie, zur krankhaften Dyskrasie im Organismus der Menschen sollten im Sinne der Lehre von den «Contraria contrariis curantur», von den Gegensätzen, die zur Heilung führen, solche Heilpflanzen verwendet werden, die zur Harmonisierung der vier Säfte im Organismus geeignet wären. Da es darüber hinaus noch Abstufungen in drei bis vier Graden der Wirksamkeit der Pflanzen gab und da man in der Antike sehr gern verschiedene Heilpflanzen miteinander kombinierte, kann man sich vorstellen, welche subtilen theoretischen Kenntnisse der griechische Arzt besitzen musste, wenn er eine optimale Phytotherapie betreiben wollte. Dies war auch der Grund für die Polypragmasie, die bald einsetzte und die nicht nur ein wirkungsvolles Heilmittel mit Korrigens und Vehiculum, mit geschmacks- und geruchsvcrbessernden Stoffen und Trägersubstanzen anreicherte, sondern eine große Zahl von wirkungsvollen Pharmaka miteinander kombinierte.


      


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